Instant Nudel Snack
Zubereitungszeit: 5 min
Grad der Verzweiflung: Drei weinende Suizid-Sternchen
Seelische Schäden: Mehrere Jahre
Zutaten:
- Instant Nudel Snack in Knisterverpackung
Was ist eigentlich Einsamkeit - und wie kocht man sie?
Fragen, mit dem quasi jeder melancholisch veranlagte Gourmet tagein, tagaus schwanger geht.
Doch es gibt sie, diese Gerichte der Schwermut, der sich in Selbstmitleid suhlenden emotionalen Verwahrlosung!
Nie wird man wohl die gehauchten Worte ins Ohr geflüstert bekommen: „Schatz, jetzt teilen wir uns noch gemeinsam
einen Instant-Kartoffelbrei und dann ab ins Liebesnest“ oder „Bitte verwöhn' mich heute mit Deinen wundervollen
kalten Dosenraviolis“. Nein! Zu Recht ist der Aufnehmer solcher Nährprodukte ein Einsiedler, ausgeschlossen
vom prallen Leben fühlender Organismen.
Mutiger Leser, noch mutigerer Koch, todesverachtender tatsächlich auch noch Esser – wir Kochen nun den König
der Einsamkeit, den Gorgonen der alles verzehrenden Kälte im Herzen den –
INSTANT NUDEL SNACK.
Schon die Portionierung des I.N.S. weist uns unseren Platz im Universum, oder besser außerhalb davon, zu. Eine Person, nicht mehr wird angestiftet zu dieser kulinarischen Untat, diesem Inferno der Geschmacksverirrung. Nüchtern betrachtet (aber wer will das schon) handelt es sich um ein klassisches Vier-Komponenten-Essen, dies auch nur, um dem „Koch“ den Eindruck zu vermitteln, er würde eine Speise und nicht etwa ein Statement zubereiten. Es ist ein durch und durch allegorischer Akt einen I.N.S. zu kochen:
- Die Verpackung: Minimal, fast im Begriff des Nichtseins, wie die Person die sie verkörpert – Fahrig, durchscheinend, schwach und niedrig
- Der Nudelblock: Verwirrt, hart und trocken, fade bis zu absoluten Neutralität
- Der Ölbeutel: Unzugänglich, beim Versuch der Öffnung wird er zerstört und aller sinnloser Inhalt verteilt sich übelriechend auf den Öffner
- Der Würzbeutel: Voll undefinierbaren Inhalts, salzig und traurig, undefiniert und vollständig unentschlossen
Was ist das? – Ein Bild des Verspeisers, welcher schwach und niedrig, verwirrt und fade, verschlossen und unentschlossen, das Endprodukt der traurigen Zubereitungszeremonie ernstlich als Nahrung bezeichnet – und sich als Wesen mit einem Geschmackssinn.
Zubereitung:
Noch nicht einmal die Hersteller des I.N.S sind so vermessen anzunehmen, in einem I.N.S.- Haushalt gäbe es
einen Messbecher. So wird also schlicht beschrieben, man solle „etwa 0,2l“ Wasser erhitzen. 0,2l, also der
Eichstrich auf dem verblichenen Schlumpf-Senfglas von 1983, oder aber eine 2/3 volle Dose Bier (nichts kann
den Geschmack eines I.N.S. verändern).
Wer keine Herdplatte hat sollte nicht verzweifeln, eine Nacht einweichen lassen reicht völlig und ändert
auch nichts am Geschmacks- oder Gefühlserlebnis.
Ist das Wasser heiß (oh welch kostbarer Rohstoff wird hier verschwendet) wird der durch brutales Aufreißen
befreite Nudelblock in das siedende Wasser geworfen. Danach werden mit einer Gabel unter lautem Gefluche
der Öl und der Gewürzbeutel wieder herausgefischt. Der Inhalt der Beutel folgt nun dem in Auflösung begriffenen
Nudelblock. Wundern Sie sich nicht wenn nur minimalste Mengen Glubsch dem Ölbeutel tatsächlich abzupressen
sind. Die Menge hat auf den Geschmack absolut keinen Einfluss, wohl aber brandmarkt/stigmatisiert das Öl die
Kochstelle des Unglücklichen, denn jenes aus dem Beutel spritzende Sekret zieht sofort in jede Oberfläche ein
(inkl. poliertem Edelstahl) und verströmt sein Odeur der Tristesse monatelang (und jahrelang in der Seele).
Ist die Untat getan, wird der Sud eingedickt. Was bleibt wird oft in Horrorfilmen genutzt, um irgendwo
heraus- bzw. hervorzuquellen.
Die Haptik dieses Ma(h)ls übertrifft bei weitem noch jene des Spargel an süß- saurer Sauce, die Worte
„Urschleim“ und „Darmschleimhaut“ drängen sich hier unwillkürlich ins Bewusstsein.
Ja, diese Masse ist so wie das Leben desjenigen, der sie verspeist, durch und durch traurig, einsam,
stinkend und ohne jede Hoffnung auf Verbesserung. Denn Verbesserung ist nur auf einer Grundlage möglich,
die sich entwickeln ließe. Nichts verbessert einen I.N.S. oder verändert ihn.
Hierzu empfehlen wir:
Vielleicht ein paar Upper für hinterher (dies ist keine Empfehlung Drogen oder einen I.N.S. zu sich zu nehmen!)
Servierempfehlung:
Eigentlich kann man die traurige Wirkung und das Gefühl endgültigen verlassen Seins immer und überall spüren. Besonders Wirksam ist der I.N.S. allerdings, wenn er in einer dreiviertelvollen Bierdose eingeweicht serviert und (Gott bewahre!) konsumiert wird.
P.S. Wir warnen ausdrücklich vor körperlichen und seelischen Schäden die durch den Konsum des I.N.S. entstehen.
Ein I.N.S. ist für ein gefühliges Wesen ein gefährlicher Selbsterfahrungstrip in Sachen ausweglose
Einsamkeit. Wenn überhaupt sollten Sie dieses Experiment nur unter ärztlicher Aufsicht unter Mitführung
von Bildern Ihrer liebsten Angehörigen durchführen.
Anm.: Der Autor ernährte sich zwischen seinem 14. und 15. Lebensjahr ausschließlich von I.N.S. und wohnt
derzeit in der Lärmzone 1 des Flughafens Düsseldorf, wo er seine private Genugtuung darin findet, 40 Jahre
alte Abwasserrohre mit einer Flex zu zerschneiden.